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Ouranoupolis

 

Vor mir liegt ein Buch, ich öffne den Buchdeckel und finde auf der ersten, noch unbedruckten Seite, in etwas ungelenker Schrift die Worte:

Come again, The Tower is still there.  jn. Loch Dec. 5. 1968

Wir wissen nicht, wem diese Widmung und Einladung galt, welchen Weg dieses Buch von Ouranouplis aus nahm, bis es schließlich aus einem Nachlaß bei einem Händler in den USA landete, von dem aus ich es per Internet orderte. Doch wir wissen wer dieses Buch signierte: Es war die Frau, die von 1926-39 und von 1945-1982 zusammen mit ihrem Mann Sidney Loch den Pyrgos in Ouranoupolis bewohnte und deren beider Leben auf einzigartige Weise mit der Geschichte dieses Ortes (und damit auch mit dem Berg Athos) verknüpft ist: Joice NanKivell Loch.

Come again - ist dies nicht der Ruf, der jeden ereilt, der einmal den Fuß auf den Athos gesetzt hat und der sich erfüllt, wenn er nach mühsamer Fahrt durch die Chalkidiki  in noch weiter Ferne wieder den Pyrgos erblickt, der seit hunderten von Jahren dem Pilger den Weg in eine andere Welt weist?

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Doch beginnen wir mit dieser Geschichte ganz woanders - in Australien:

Es war der 24. Januar 1887, als ein Cyklon über die Zuckerplantage von George NanKivell in Oueensland fegte, der es ihm unmöglich machte, seine hochschwangere Frau Edith nach Brisbane zur Entbindung zu bringen. Im Heulen des Sturms wurde ihr erstes Kind geboren - eine Frühgeburt und ohne jegliche Hilfe eines Arztes oder einer Hebamme - Joice NanKivell. Zusammen mit ihrem elf Monate jüngeren Bruder Geoff durchlebte sie wechselhafte Jahre. Der leichtfertige Vater konnte in Zeiten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbruchs die Plantage nicht vor dem Ruin bewahren und ging erst als Goldsucher in den Westen und versuchte sich an verschiedenen Orten als Farmer. Über Jahre hinweg führte die Familie ein unstetes Leben, lebte mal bei Verwandten, mal in eigenen Anwesen.

Joyce ging schließlich nach Melbourne an die Universität und verdiente sich als Schriftstellerin und Journalistin ihren Lebensunterhalt, bis der Erste Weltkrieg die entscheidende Wende in ihrem Leben brachte: Geoff, ihr Bruder, dem sie sich in der Familie am tiefsten verbunden fühlte, ging als Freiwilliger für England in den Krieg. Nachdem er die fürchterliche Schlacht um Gallipoli gegen die Türken überlebt hatte - es war ein Desaster für das englische Heer und ein peinliches Zeugnis englischer Kriegskunst - wurde er umgehend nach Nordfrankreich verlegt. Eines Nachts hatte Joyce folgende Erscheinung: In der sich öffnenden Tür steht ihr Bruder Geoff mit einem Telegramm in der Hand, auf dem die Worte stehen "Go to Lilydale. Hemphill will meet you with horses. Urgent." Sie folgte der Anweisung, fuhr nach Lilydale, wo tatsächlich der Nachbar Hemphill wie schon bei früheren Gelegenheiten mit seinem Pferdefuhrwerk an der Bahnstation auf sie wartete, um sie zu der weiter entfernt liegenden Farm ihrer Eltern zu kutschieren. Statt den geliebten Bruder in die Arme schließen zu können erfuhr sie, daß er bei einem Granatenangriff gefallen war...

 
 

Sydney Loch, auf den Tag genau zwei Jahre jünger als Joyce NanKivell wurde am 24. Januar 1889 in London geboren und wuchs in Schottland auf. Als Sproß einer aristokratischen, wenngleich verarmten Familie, mußte er sein Leben selbst in die Hand nehmen und ging mit 17 Jahren nach Australien, wo er zuerst bei Verwandten in Melbourne unterkam, aber später als Jackeroo, der australischen Version des nordamerikanischen Cowboy, in Westaustralien und Queensland arbeitete. Er wurde ihm klar, daß er in Australien seine neue Heimat gefunden hatte und er begann seine schriftstellerische Tätigkeit. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges kämpfte er als Freiwilliger bei den Australian Imperial Forces, wurde in der Schlacht bei Gallipoli so schwer verwundet, daß er die Armee verlassen mußte. In seinem Buch "Straits Impregnable" schilderte er den Gallipoli-Feldzug

Dieses Buch sollte in einer Melbourner Zeitung, dem "Herald" rezensiert werden - von Joyce NanKivell, die den Autor sofort kontaktierte. In den gemeinsamen Gesprächen über die Kriegserlebnisse konnte Joyce den Verlust des Bruders verarbeiten und fand in Sydney Loch den Mann mit dem sie ihr weiteres Leben verbringen wollte. Sie heirateten am 22. Februar 1919 in Melbourne. Als freie Journalisten arbeiteten sie in England, Irland und Nordirland, schlossen sich schließlich den Quäkern an, um in Polen beim Wiederaufbau nach dem Krieg zu helfen...

 

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Türkei Waffen und Proviant. In zwei Schlachten, Ende Juli 1921 und am 26. August 1922 August besiegelte sich die griechische Niederlage: Das völlig aufgelöste Heer und die auf kleinasiatischem Boden lebende griechische Zivilbevölkerung wurde niedergemetzelt und ins Meer getrieben - man machte keine Gefangenen. Etwa 600.000 Griechen verloren ihr Leben.

1,5 Millionen kleinasiatische Griechen konnten nur das nackte Leben retten und wurden in kürzester Zeit in das völlig verschuldete und wirtschaftlich am Boden liegende Mutterland transferiert. Ein Zehntel der Flüchtlinge verlor im ersten Jahr durch Hunger und Seuchen sein Leben. Im Friendensvertrag von Lausanne (24. Juli 1923) verzichtete Griechenland auf alle kleinasiatischen Ansprüche, auf die Inseln Imbros und Tenedos und auf Ostthrakien. 350.000 muslimische Griechen wurden in die Türkei umgesiedelt und 50.000 Bulgaren nach Bulgarien abgeschoben.

Obwohl die Flüchtlinge die ehemals türkischen und bulgarischen Dörfer besiedelten, wurden noch umfangreiche Zwangsenteignungen zur Beschaffung von Ackerland durchgeführt, von denen auch die Athosklöster betroffen waren...

 

 

Von eigenen Machtphantasien berauscht und angestachelt von den auf eigenen Vorteil bedachten Franzosen und Briten stürzte sich Griechenland 1919 in den Krieg, der als die "kleinasiatische Katastrophe" in die Geschichtsbücher einging und gleich dem Vierten Kreuzzug und dem Fall Konstantinopels noch heute als nationales Trauma auf dem ganzen Volk lastet. Längst hatten sich die Interessen Frankreichs, Englands und Russlands in ihrer Türkeipolitik gewandelt, als Venizelos mit seinem Heer tief nach Kleinasien eingedrungen war. Nach seiner Landung im Mai 1919 in Smyrna und raschen Anfangserfolgen stabilisierte sich unter Kemal Atatürks Führung das türkische Militär. Russland und die Westmächte sowie Italien, das die Dodekanes besetzt hatte und türkische Partisanen unterstützte, lieferten der

 

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Der seit 1282 regierende Kaiser Andronikos II. Palaiologos (*1260) wurde am 24. Mai 1328 von seinem Mitkaiser und Enkel Andronikos III. in einem unblutigen Putsch entmachtet und zwei Jahre später gezwungen, das Mönchsgewand anzunehmen. Soweit die historisch gesicherten Fakten. Erzählt wird weiter, daß er als Mönch Antonios im Kloster Vatopedi lebte und für seine Gemahlin, die vormalige Kaiserin Irene, Tochter des Markgrafen von Montferrat, die er 1284 geheiratet hatte, im Norden der Athoshalbinsel einen Turm bauen ließ, wo sie wohnen und seine Besuche empfangen konnte. Nach seinem Tod am 13. Februar 1332 diente dieser Turm ("Pýrgos prosphóri") dem Kloster Vatopedi als Stätte der Rekonvaleszenz für kranke Mönche.

Diese Idylle - vom Turm aus landeinwärts gab es nichts außer Olivenhaine - änderte sich Anfang der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts: Das Land um den Pyrgos prosphori herum wurde kleinasiatischen Flüchtlingen von den Prinzeninseln und aus Caesarea als neue Heimat zugeteilt. Die Flüchtlinge von den Prinzeninseln kamen meist aus wohlhabenden Verhältnissen, sprachen griechisch und türkisch und hatten Schulen für ihre Kinder gehabt. Demgegenüber waren die Flüchtlinge vom türkischen Festland meist verarmt, Analphabeten und nur des Türkischen mächtig. Allein die Zugehörigkeit zur Orthodoxen Kirche verband beide, die sich ansonsten feindlich gegenüberstanden.

 
 

 

"Each despised the other" - Die eine Volksgruppe verachtete die andere - schreibt Sydney Loch später in seinem Buch über den Athos.

1923 war zuerst Joice NanKivell Loch in Thessaloniki angekommen, später auch Sydney Loch. Beide engagierten sich auf vielfältigste Weise in der Betreuung der Flüchtlinge, besonders der Kinder, unter denen etwa 50.000 Waisen mit nach Griechenland gekommen waren.

1924 wurde Joice NanKivell Loch für ihre Verdienste in der Malariabekämpfung von der serbischen Regierung der Orden des Heiligen Sava verliehen. Durch einen serbischen Diplomaten wurde sie erstmals auf den Berg Athos aufmerksam und reiste mit ihrem Mann und einigen Freunden zu einem Campingurlaub an die Athosgrenze, damals eine Zweitagesreise.

Im Flüchtlingsdorf um den Pyrgos muß eine unvorstellbare Armut geherrscht haben: Natürlich weder Strom noch fließendes Wasser, keine Schule, kein Kafeneion, keine Kirche, keine ärztliche Versorgung. Diesem ersten Besuch folgten weitere.

 

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1926 stellte der Bürgermeister des bislang einfach Pyrgos genannten Ortes bei der Regierung von Makedonien den Antrag auf Änderung des Ortsnamens. Diesem wurde stattgegeben, und man durfte das Dorf nun Ouranoupolis nennen. Der Name, zu deutsch: Himmelsstadt, geht auf eine antike Siedlung aus der Zeit Philipps II. und Alexander des Großen zurück, die durch ein Erdbeben zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde. Sie lag in der Gegend des heutigen Ierissós.

Da bis 1926 fast alle Flüchtlingslager um Thessaloniki aufgelöst waren, stellte sich für das Ehepaar Loch, die bisher ehrenamtlich gearbeitet hatten und als Schriftsteller nur unregelmäßige Einkünfte hatten, die Frage nach der Zukunft. Der Zufall wollte es, daß der Bürgermeister von Ouranoupolis Sydney Loch, Besitzer eines Gewehres, bat, einige Keiler zu schießen, die in den Hühnerställen wüteten und sogar kleine Zicklein töteten. Er könnte als Gegenleistung bei der Regierung erwirken, daß das Ehepaar Loch gegen geringes Geld den Pyrgos als neues Zuhause beziehen darf. Beide hatten sich durch ihr selbstloses Engagement schon einen hervoragenden Ruf erworben, und als Sydey Loch das Dorf von seiner Plage befreit hatte, löste der Bürgermeister sein Versprechen ein und der Pyrgos hatte fortan neue Besitzer.

 

 
 

Über Jahrzehnte hinweg engagierte sich das Ehepaar Loch für die verarmte Bevölkerung von Ouranoupolis. Besonders bei Krankheiten wurde Joice Loch immer wieder von den Menschen aufgesucht und um Hilfe gebeten. Gottvertrauen und heidnische Rituale waren ansonsten die einzigen "therapeutischen" Methoden im Krankheitsfalle.

Als eine der wenigen Einkommensmöglichkeiten initiierte sie die Herstellung und den Vertrieb von Teppichen, wofür sie auch spezielle Techniken zum Färben der Wolle entwickelte. Es war dies vielleicht die einzige Tätigkeit für die Mädchen des Dorfes neben der Hausarbeit und Saisonarbeiten in den Olivenhainen, wohingegen sich die Männer gegen geringen Lohn als Holzfäller, Köhler, Fischer und Arbeiter in den Klöstern verdingen konnten.

Als 1932 durch ein Erdbeben Ierissos dem Erdboden gleichgemacht wurde, wobei 70 Todesopfer zu beklagen waren, organisierte das Ehepaar Loch die ersten Hilfsmaßnahmen.

 

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Jahr um Jahr verbesserte sich das Dorfleben in Ouranoupolis, die bitterste Armut war überwunden. Das Meer, die kargen Felder und der Athos als einziger "Arbeitgeber" der Region sicherten den Menschen ihr Auskommen. Vor allem aber der Verkauf von Olivenöl war für den Ort und die Menschen eine wichtige Einnahmequelle.

Seine ungezählten Besuche in den Klöstern, Skiten und Kellien des Heiligen Berges hatte Sydney Loch handschriftlich dokumentiert und begann nun, diese mit Maschine zu tippen und zu veröffentlichen. Er hatte gerade am 6. Februar 1954 das sechste Kapitel abgeschlossen, und man bereitete sich auf die Abreise nach London vor, um dort den Verleger zu treffen, als einige Kinder meldeten, sie hätten am Strand einen Pelikan gefunden. Sydney Loch brachte das verletzte Tier ins Haus. Während er den Vogel vor dem Kamin wärmte, sackte er zusammen und verstarb Minuten später. Nach 35 Jahren, in denen das Ehepaar segensreich in verschieden Ländern für die Opfer von Krieg und Vertreibung gewirkt hatte, blieb Joice NanKivell Loch allein im Pyrgos von Ouranoupolis zurück. Ihr Mann wurde in der American Farm School in Thessaloniki beerdigt, wo er jahrelang gearbeitet hatte.

 
 

Der unermüdliche Einsatz für das Wohlergehen der Bewohner rund um den Pyrgos und die Weiterarbeit an den noch unerledigten Aufgaben halfen der Witwe über die schwere erste Zeit nach diesem plötzlichen Verlust hinweg. Als erstes wurden die restlichen Kapitel des Manuskriptes von Syney Lochs Athosbuches mit Maschine geschrieben und schießlich 1957 veröffentlicht. Sodann standen in Ouranoupolis noch wichtige Aufgaben an: Noch immer gab es keinen Arzt, keine Straße, kein brauchbares Schulgebäude und kein sauberes Trinkwasser. Doch Joice NanKivell stand nicht allein, denn an ihrer Seite hatte sie zwei wichtige Helferinnen: Die Schweizerin Martha Handschin und aus Ouranoupolis Fani Mitropoúlou. Beide Frauen habe ich selbst noch bei meinen Aufenthalten kennengelernt, und sie bestätigten mir vieles von dem, was hier niedergeschrieben ist.

Durch Mobilisierung von Spendengeldern konnte eine Wasserleitung von den Bergen herab ins Dorf gebaut werden; die Gefahr von Typhus und Schwarzwasserfieber durch verunreinigte Privatbrunnen konnte so gebannt werden.

Schwierig gestaltete sich der Bau einer Straße. Wie oben schon angedeutet, waren die Reisebedingungen damals alles andere als bequem: In Arnea war ursprünglich die Endstation der Buslinie von Thessaloniki. Die restlichen 86 Kilometer bis Ierissos und weiter bis Tripiti mußten mit Mulis bewältigt werden. Dort signalisierte man durch Verhängen eines gekalkten Felsens oder durch Feuerzeichen, daß eine Bootspassage hinab zum Pyrgos bzw. weiter hinein zum Athos gewünscht wird. Ein aus Amouliani kommender Fährmann besorgte dann diese Weiterreise. Immerhin wurde die Buslinie später bis Ierissos verlängert. Der Bus fuhr also gegen 7:00 h morgens in Thessaloniki ab, in Arnea wurde zu Mittag gegessen und gegen 17:00 kam man in Ierissos an. Wurde bei Schnee und Regen die unbefestigte Straße weggespült, so endete die Reise entsprechend früher.

   

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Ein altes Gesetz verbot, daß sich eine Straße, auf der sich Räder drehen konnten, der Athosrepublik näherte. Andererseits hatte auch der Griechische Staat kein Interesse, wegen eines kleinen Dorfes Geld für eine Straße auszugeben, nicht zuletzt auch deswegen, weil die anderen Nutznießer derselben, die Mönche, ohnehin keine Steuern zahlten. Auf Initiative von Joice NanKivell Loch nahmen sich die Dorfbewohner nun der Sache selber an: Mit Pickel und Spaten wurde der Fußweg nach Tripiti 1956 zu einer primitiven Fahrstraße erweitert. Nach endlosen Eingaben bei der Regierung wurde schließlich 1958 ein Bulldozer zur Verfügung gestellt und eine brauchbare, wenngleich immer noch nicht befestigte Fahrstraße entstand. Diese veränderte das Leben in Ouranoupolis: Es war plötzlich Warenverkehr möglich und - die Anreise zum Athos war wesentlich erleichtert. Der Besucherstrom - damals noch ein Rinnsal - begann kaum merklich anzuschwellen.

Anläßlich der anstehenden 1000-Jahrfeier des Klosters Megistis Lavras im Jahre 1963, was schließlich in eine 1000-Jahrfeier des Berges Athos umfunktioniert wurde, wurde 1959 die Straße von Thessaloniki nach Arnea erweitert und nun auch bis Ouranoupolis befestigt - "bis zu meiner Haustür" - wie Joice NanKivell in ihrer Autobiographie schreibt.

Der Straße folgte der elektrische Strom - bislang kannte man nur Öllampen - diesem die ersten Touristenunterkünfte, die ersten Restaurants.

 
 

1967 erlitt Joice NanKivell einen schweren Unfall: Sie stürzte über ein Balkongeländer zwei Meter in die Tiefe und zog sich einen Schädelbruch zu. Sie wurde nach Thessaloniki gebracht, wo das nächste Krankenhaus war. Nach einer langen Rekonvaleszenzphase konnte sie mit Unterstützung der Menschen, die ihr nahestanden noch ihre Autobiographie abschließen und veröffentlichen. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Ouranoupolis hatte eine neue Generation: Die Enkel der kleinasiatischen Flüchtlinge waren Bürger einer modernen Welt geworden. Die Frauen, die als Zimmermädchen in den Hotels arbeiteten, verdienten mehr als ihre Männer, die Fische fingen oder auf dem Athos arbeiteten. Die Bikinimädchen in den Geschäften des Dorfes erregten den Unmut der Großmütter, die vor ihren Hütten saßen und sie riefen wohl noch manch andere Erregung hervor...

Kräutersuppe, Eichelbrot, handgearbeitete Bettvorleger und Mulikarawanen wurden abgelöst durch Hamburger, Coca-Cola, Moped und Blue Jeans.

Für ihr segensvolles Wirken im Ersten Weltkrieg, im Zweiten Weltkrieg, während des Griechischen Bürgerkrieges, in Zeiten von Vertreibung und Armut wurden ihr und ihrem Mann von den Regierungen Polens, Serbiens, Rumäniens, Großbritanniens und Griechenland insgesamt elf Orden verliehen.

Joice NanKivell Loch starb im Winter 1982 - bis zuletzt gepflegt und umsorgt von ihren treuen Begleiterinnen Martha Handschin und Fani Mitropoulou. Zu ihrer Beerdigung waren Hunderte von Athosmönchen gekommen, Äbte mehrer Klöster, der Gouverneur von Mazedonien, die Konsuln von Großbritannien, den USA und Australien. Es wurde die ungekürzte Orthodoxe Totenfeier gesungen und celebriert. Ihre letzte Ruhe fand sie auf dem Friedhof von Ouranoupolis, etwas oberhalb des Dorfes, gleich vor der Friedhofskapelle, wohin schließlich auch die Gebeine ihres Mannes überführt wurden. Beiden bleibt entgegen griechisch-orthodoxer Tradition das Vorrecht, bis zum jüngsten Tage im Grabe zu ruhen.

Und stehe ich dort auf dem Friedhof, wo ich hinter den Hügeln den Athos weiß, so ist es mir als hörte ich in der flirrenden Sommerhitze oder im eisigen Winterwind die Worte:

Come again, the tower is still there.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Literatur:

De Vries, Susanna. Blue Ribbons, Bitter Bread: The Life Of Joice NanKivell Loch. Alexandria/AUS 2000, reprinted 2001

Gaitanides, Johannes. Griechenland ohne Säulen. München 1978. überarbeite und ergänzte Neuausgabe 1990

Loch, Joice NanKivell. A Fringe Of Blue. An Autobiography. London, Southampton 1968

Loch, Sydney. Athos: The Holy Mountain.New York; ohne Jahr

 
 

 

Verzeichnis der Bilder:

 

 
 

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Der Pyrgos in Ouranoupolis. Aufnahme von 1968 oder früher; aus: Loch, Joice NanKivell; Umschlagbild

Joice NanKivell Loch während ihres Aufenthaltes in Polen, ca. 1920; aus: Loch, Joice NanKivell; gegenüber S. 55

Sydney Loch; Zeichnung von Tadeusz Terlecki; aus: Loch, Sydey; gegenüber Titelblatt

Ouranoupolis, von Osten her gesehen; aus: Loch, Jooice NanKivell; gegenüber S. 102

Griechischer Flüchtling aus Kleinasien; aus: De Vries, Susanna; zwischen S. 160 und 161

(Wenngleich der äußere Habitus durch und durch türkisch ist - in seinem Herzen ist er Grieche und: orthodox)

Kaiserbulle von Andronikos II Palaiologos, aus der Bibliothek des Klosters Chilandar; Foto: Manfred Burghardt

(Die Unterschrift lautet: "Andronikos, an Christus Gott glaubender römischer König und Selbstherrscher, Palaiologos")

Küchenofen im Pyrgos mit drei einzelnen Feuerstellen zum Kochen; der Pyrgos ist heute ein solides, kleines Museum, dessen

Besuch durchaus lohnt! Foto: Manfred Burghardt

Arbeitszimmer v. J. N. Loch im Pyrgos, mit Schreibmaschine; Foto: Manfred Burghardt

Teppich, gewebt von Joice NanKivell Loch, im Pyrgos, der heute als Museum dient; Foto: Manfred Burghardt

Grabinschrift von Sydney Loch, auf dem Friedhof in Ouranoupolis; Foto: Manfred Burghardt

Ein Haus aus der Zeit, als die ersten Flüchtlinge aus der Türkei den Ort besiedelten...

...hat sich wie die Menschen im Ort der neuen Zeit angepaßt. Fotos: Manfred Burghardt

"Bis zu meiner Haustüre" - Die platia von Ouranoupolis, Endhaltestelle der Linien- und Reisebusse, gesehen von der

ehemaligen Loch-Wohnung im Pyrgos. Foto: Manfred Burghardt

Grabinschrift von Joice NanKivell Loch, auf dem Friedhof von Ouranoupolis, Foto: Manfred Burghardt

 

 

 

 

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